Tien Shan (2002)

Autor: Stefan Langer

Nach dem nun schon ein Artikel von Stephan Roth und mir auf der Homepage der Sektion Weimar über den Kaukasusurlaub im Sommer 2002 hinterlegt wurde, will ich nun den anschließenden Urlaubsabschnitt in einem kleinen Bericht zusammenfassen.
Nur damit es am Anfang keine allzu große Verwirrung gibt, noch ein paar klärende Worte an erster Stelle. Die Grundidee für den Sommerurlaub 2002 war eigentlich folgende: nach einigen Jahren Studium hier in Weimar nun endlich am Ziel angelangt, sollte das mit einer extra Portion Urlaub belohnt werden ;-)). Mein langjähriger „ Seilpartner“ Daniel Groß aus Dresden war auch zum gleichen Zeitpunkt fertig geworden, und nun ging es an’s Planen. Der erste Teil sollte der Kaukasus – Urlaub werden, mit reichlich 3 Wochen und Freunden aus Dresden, Berlin und Weimar.
Genaueres zu dieser Tour könnt Ihr dazu hier……..link!!!! nachlesen.
Nachdem wir (Dani und Ich) nun die anderen am Flughafen Mineralny Wody abgesetzt haben fing für uns erst recht das große Abenteuer an. Nur wenige Eckdaten waren vorgeplant, so die Zeit – 31 Tage, das Land – Kasachstan, und der Berg – Khan Tengrie. Für die Besteigung hatten wir per E-Mail mit einem Reisebüro Kontakt aufgenommen, die den Transport bis ins Hubschrauberlager und die nötigen Permits organisierten. Wir mussten nun nur noch vom Kaukasus bis nach Almaty gelangen. So richtig kann man sich das gar nicht vorstellen aber es ist schon ein Erlebnis an sich solche Strecken (ca. 3500 bis 4000 km) zurück­zulegen. Da es nun keine zentralen Bahnauskünfte wie www.bahn.de gibt spielt sich das ganze in etwa so ab: der Bezugsort ist der Bahnhof, dort schaut man wohin welche Züge wann fahren, überlegt ob irgendein Zug in die Richtung fährt und danach anstellen und hoffen dass es noch Fahrkarten gibt. Dabei hatten wir noch sehr viel Glück denn mit Zwischenstationen in Wolgograd, Samara, Astana (früheres Zeliningrad und heute Hauptstadt von Kasachstan) kamen wir zügig und ohne Verspätungen in Almaty nach 5 Tagen (mit den Nächten im Zug) an. Die lange Zugfahrt kam uns insofern sehr gelegen, da wir logistisch das ganze Unternehmen nur vororganisiert hatten und nun die Zeit hatten uns darüber Gedanken zu machen wie unsere Strategie aussehen soll. Ganz ohne solche Gedanken wäre es auch sicherlich ins Wasser gefallen, denn ein Berg mit 7000 m Höhe will erst einmal bestiegen werden und dann war auch noch ein machbarer Weg ins Basecamp (BC) zu überlegen, weil wir aus Akklimatisationsgründen nicht mit dem Hubschrauber reinfliegen wollten.
Da wir den Gipfel über die Nordseite besteigen wollten mussten wir irgendwie auf den nördlichen Inylchek Gletscher gelangen denn dort ist das nördl. BC.
Nach einigen Recherchen entdeckten wir die Möglichkeit bis Bayankol mit dem Bus zu fahren und dann von der Hubschrauberbasis unseres Reisebüros das Bayankoltal bis Pik Marmorwand und von dort über einen Pass (5200 m, 3B) über die erste große Kette des nördl. Tien – Shan Gebirges ins BC. Für diesen Weg hatten wir eine Karte mit dem Maßstab 1:200 000 also nicht so genau und für den Zugang zum Pass nur eine kurze mündliche Beschreibung. Also nahmen wir für 8 Tage Verpflegung mit und eine etwas ab­ge­speckte Aus­rüstung und machten uns auf den Weg. Nach 3 Tagen nervtötenden Fußmarsch zum Talschluß (3200 m) offenbarte sich dann uns ein gigantischer Blick auf diese erste Kette. Wie eine weiße Wand stand sie vor uns und irgendwie mussten wir darüber. Nach einigem Rätselraten versuchten wir uns dann an einem Gratrücken und fanden auch Biwakspuren so dass wir zumindest nicht ganz falsch liegen konnten. Wir arbeiteten uns den ganzen Tag über bröselndes Gestein abwechselnd mit dünner Schneeauflage und Tiefschnee bis auf 4600 m hoch. Dort fanden wir reichlich 2 m² ebene Fläche und kamen uns dann im Zelt etwas sehr exponiert vor. Bis zu diesem Punkt mussten wir uns schon ganz schön anstrengen und der nächste Tag sollte uns noch mehr fordern. Dafür herrliche Ausblicke und ein Sonnenuntergang richtig romantisch und nur Männer in der Gruppe  . Nächsten Tag bei Nebelschwaden dann bis zu einem Punkt, wo es irgendwie nicht höher ging, laut Höhenmesser 5240 m: geschafft!! Das waren wir auch, denn das Spuren im Tiefschnee manchmal bis zur Hüfte war in der Höhe schon sehr anstrengend. Oben die volle Suppe keine Sicht, etwas Kopfschmerz aber erst mal sicher im Zelt. Wir übernachteten 2 Nächte auf dieser Höhe um uns etwas besser anzupassen. eigentlich wollten wir an dem einen Tag einen Gipfel rechts vom Pass machen, aber das Wetter ließ das nicht zu. Also ein langweiliger Tag im engen Zelt und zwischendurch kleine Lichtblicke im Nebel auf unseren Gipfel. das sah sehr imposant aus und von unserer Seite aus der ferne überkamen uns da einige Zweifel.
Nächsten morgen klares Wetter schweinekalt und laut Beschreibung vom Pass 50 m nach rechts und drei mal über 50 m abseilen über den Bergschrund und dann das Tal rauslaufen. Wir schafften das Steilstück auch ohne Eisschraubenverlust und überlebten auch einen Spaltensturz bergab in einer 2 er Seilschaft. Mussten noch mehrmals durch einen Gletscherbruch abseilen und kamen wohlbehalten im Küchenzelt des BC an und wurden gleich in die BC Mannschaft aufgenommen. Im Basislager herrschte reger Betrieb: Slowenier, Spanier, Russen, Holländer, Ungarn und Amerikaner. Nun galt es für uns Kräfte sammeln und dann uns den Aufstieg zum Khan Tengrie über den Pik Tschapaev etwas genauer anzuschauen und zu probieren. Wir wussten aus Beschreibungen, das der Grat überwiegend mit Fixseilen versichert ist aber der Zustand dieser soll nicht der beste sein! Na ja erst mal selber anschauen und dann sehen wir weiter. Getreu diesem Motto ging’s einige Tage später los zur ersten Er­kundungs­tour. Vom BC von 4200 m ins Lager 1 auf 4750 m, dort Übernachtung und weiter auf Lager 2 mit 5500 m. Den Tag drauf auf den Pik Tschapaev und damit schon mal einen Berg gemacht  und wieder hinunter zum Lager, schlafen und morgen in der Frühe ins BC zum Frühstücken. Das Zelt ließen wir oben stehen, weil wir Lager 1 beim Gipfelsturm überspringen wollten. Die nächsten Tage waren gezeichnet vom Lagerleben: spät aufstehen zum Frühstück Kaffee, gemütlich Mittagessen, abends waren wir meistens von der Lagerchefin zum Essen und trinken eingeladen. Wir warteten auf gutes Wetter. Viel Schneefall und die Zeit wurde langsam knapp. Es wurden verschiedene Theorien entworfen und verworfen. Wir einigten uns dann auf die Variante wenig Gepäck hohe Geschwindigkeit. Im Lager 3 gibt es mehrere Schneehöhlen, die man benutzen kann und wir setzten da voll darauf und wollten gar kein Zelt dafür mitnehmen. Das Lager liegt auf 5800 m und da hat man nochmals ordentliche 1200 m zum Gipfel zurückzulegen und das alles nicht in reinem Latschgelände. Bis Lager 3 sind ungefähr 1/3 des Weges Klettergelände mit max. Schwierigkeit von UIAA IV, dabei allerdings auch Mixed – Gelände und 2/3 dann steile Firnfelder. Zwischendurch gibt es zwar auch ein paar Spalten aber der Grat hat den Vorteil kaum Lawinen und spaltengefährdet zu sein. Wir starteten früh um 4 Uhr und marschierten los mit nur 2 ½ Tagen Verpflegung über den Pik Tschapaev ins Lager 3. Dort abends um 18 Uhr angekommen und völlig fertig, beschlossen wir den nächsten Tag auszuruhen (unseren Reservetag) und danach erst aufzusteigen und gleich ins BC hinabzugehen. OK, Bergsteigen heißt zeitig raus und das taten wir auch um dann 5 Uhr loszuziehen. Der Weiterweg war dann auf dem Westgrat zum Gipfel vorwiegend Kletterei bis auf die letzten Meter die Gipfelflanke beginnt. Das Ganze im Bereich II bis III und in der Höhe, da waren wir über die Fixseile schon sehr froh, obwohl diese nicht vertrauenserweckend aussahen. mehrfach zusammengeknotet, verwittert, manchmal nur noch 5 Fäden vom Kern übrig usw. und wo die Seile festgemacht sind? Wir wollten es gar nicht wissen. aber da wir die Seile nur als Sicherung und nicht zum klettern benutzten sind wir das Risiko eben eingegangen. Die einzigen Momente waren dann das abseilen: Augen zu und durch und jeden Augenblick bedacht zu sein irgendwas zu greifen wenn’s reißt. Vor 6 Tagen hatte es einen Spanier erwischt der vom Gipfel kam und dem beim Abseilen das Seil gerissen ist. Mit einer Oberschenkelfraktur ist er zum Glück gut davongekommen.
So gegen 9 Uhr waren wir auf der Hälfte und haben dann beschlossen das Dani, der sich nicht top fit fühlte und auch sehr kalte Füße hatte zurück ins BC geht und ich noch versuche raufzukommen und danach alles abbauen und ihm nachfolgen sollte. Der Gipfel war in Wolken, was mich nicht abhielt weiterzugehen zumal wir nicht alleine waren, und ich nicht wegen der Aussicht hier hergefahren war. Um 12 Uhr stand ich dann mitten in den Wolken am dem Punkt wo es nicht mehr weiterging. Kurz Rast und wieder hinab denn so rosig sah das Wetter nicht mehr aus. Darauf folgte dann der Gegenanstieg zum Tschapaev und Zelt abbauen. Beim Lager 1 angekommen fing mich Dani ab, er war nicht weiterabgestiegen da der Hang extrem lawinengefährdet war. Morgens dann in aller Frühe stiegen wir dann sicher ab und konnten uns noch 3 Tage im BC erholen bis uns der Hubschrauber zurück nach Bayankol brachte. Von dort noch 8 h Busfahrt und die Zivilisation hatte uns wieder. Wir verbrachten noch 5 schöne Tage in Almaty und organisierten die Zugfahrt nach Irkutsk am Baikalsee, wo der letzte Urlaubsabschnitt beginnen sollte. Davon gibt es vielleicht demnächst auch einen kleinen Bericht mit Bildern.

Bilder und Text von Stefan Langer