ASD-Stellungnahme zum SBB-Projekt Johanniswacht

Stellungnahme der ASD zum Projekt Johanniswacht des SBB

Der SBB hat am 09.09.2016 den aktuellen Stand seines Pilotprojektes Johanniswacht zur Einsichtnahme und Diskussion vorgelegt.

Im Projekt solle in einem klar abgegrenzten Gebiet ein neuer Ansatz getestet und später bewertet werden, wie vorhandene aber selten gekletterte Wege durch nachträgliche Sicherungsmittel attraktiver und sicherer gestaltet werden können. Auf eine Einladung per Email an alle Mitglieder trafen sich am 21.10.2016 im Versammlungsraum der Sporthalle Nöthnitzer Straße 9 Sektionsmitglieder und ein C-Mitglied.

Auf der Basis von Vorarbeiten von Claudia und Katrin Bellmann wurde ein Konzept erarbeitet, welches die Zustimmung aller Anwesenden fand. Daraufhin erfolgte die Ausarbeitung des des Schriftsatzes durch Claudia und Katrin Bellmann.

Per Akklamation wurde ein Vorstandsbeschluss herbeigeführt. 9 Vorstandmitgliedern stimmten für die Übergabe an den SBB . Ein Vorstandsmitglied war nicht erreichbar

Folgender Schriftsatz wurde am 28.10.2016 dem SBB übergeben:

Hallo liebe Bergfreunde,

die im September 2016 auf der Homepage des Sächsischen Bergsteigerbundes (SBB) veröffentlichte Vorstellung des Pilotprojekts Johanniswacht wurde sowohl in unseren Mitgliederkreisen als auch innerhalb des Vorstandes der Akademischen Sektion Dresden (ASD) mit großem Interesse gelesen und diskutiert. Aus Verbundenheit zur sächsischen Klettertradition fühlen wir uns als Mitglieder der ASD verpflichtet, uns hierzu zu äußern.

Dem gesamten Team der Projektgruppe möchten wir unsere Anerkennung und unseren Respekt für die geleistete Arbeit ausdrücken. Unbestritten ist hier mit großem zeitlichem Aufwand das Projekt Johanniswacht ausgearbeitet worden. Dadurch ist eine umfangreiche Vorlage entstanden, die für eine Stellungnahme sehr gut geeignet ist. Dafür einen herzlichen Dank.

Die Überzeugung des SBB-Vorstandes, dass mit diesem Projekt „nun der richtige Moment gekommen [sei], in Neues einzusteigen“1, können wir nicht teilen. Nach der Durchsicht der zur Verfügung gestellten Unterlagen, gelangen wir zu der Erkenntnis, dass die in den Bergsportkonzeptionen verankerten Sächsischen Kletterregeln als naturschutzfachlich begründeten Grundsätze eines weitgehend naturverträglichen Kletterns nicht eingehalten werden.

Das sächsische Klettern ist eine Kulturleistung, deren Wert sich in den über Generationen sorgfältig und traditionsbewusst geformten Sächsischen Kletterregeln, die u. a. für alle Gebietsnutzer der Sächsischen Schweiz gleichermaßen Gültigkeit besitzen und denen sich insbesondere auch die Mitglieder des SBB satzungsmäßig verschrieben haben, ausdrückt.

Die im Pilotprojekt Johanniswacht vorgestellten Sanierungsabsichten (Anbringen nachträglicher Ringe in bereits vorhandenen Aufstiegen bzw. Versetzen von Ringen) sollen abweichend vom Regelwerk explizit nicht von der zuständigen Fachkommission geprüft und zudem offensichtlich auch ohne Absprache mit dem jeweiligen Erstbegeher durchgeführt werden. Damit sehen wir das Prinzip, dass ausschließlich der Erstbegeher oder/und die zuständige Fachkommission über die Ausstattung (s)eines Weges zu entscheiden haben, verletzt. Dies stellt unmissverständlich einen Verstoß gegen die Sächsischen Kletterregeln² dar.

Der Grundsatz, „den ursprünglichen Charakter aller Kletterführen zu erhalten“ und nach Möglichkeit darauf zu verzichten, „die Zahl der fixen Sicherungen in einer Route zu erhöhen“ sowie über ein solches Vorhaben eine Einigung „auf örtlicher Ebene … dazu gehört auch die Zustimmung der Erstbegeher“³ zu erlangen, verkörpert dabei nicht nur ein Prinzip der Sächsischen Kletterregeln, sondern ist ferner auch in den Maximen der Tirol Deklaration und der Erstbegehungs- und Sanierungs-Charta des DAV festgehalten. Diesen Positionen und Handlungsleitlinien sehen wir uns als vor Ort aktiver Bergsportverband und als Sektion des Deutschen Alpenvereins eng verbunden und zu deren Einhaltung verpflichtet.

Zu einem wesentlichen Vereinszweck der ASD gehört u. a. auch der Schutz von Natur und Landschaft der deutschen Mittelgebirge. Nicht erst seit der Entwicklung der Bergsportkonzeptionen wissen wir alle, dass das gefundene Gleichgewicht zwischen Klettern und Naturschutz keine Selbst­verständlichkeit ist. Bei einem Blick in andere Kletterregionen Deutschlands erkennt man, dass die im Einklang mit dem Natur- und Landschaftsschutz stehende Ausübung des Klettersports in der Sächsischen Schweiz eine große Errungenschaft ist. Dies darf im Übrigen gern auch Gebietsneulingen vermittelt werden. Unabhängig von der Projektbezeichnung, welche wir gerade bei ausdrücklicher Verneinung von Fortführungsabsichten4 unpassend gewählt sehen, wird dieses Projekt einen Modellcharakter entwickeln und somit einen Präzedenzfall für zukünftige Vorhaben darstellen. Eine gezielte Besucherlenkung durch die beabsichtigte Steigerung der Attraktivität eines Klettergebietes kann negative Folgen für den Natur- und Landschaftsraum bedeuten. Deshalb sollten, wie es auch in (Artikel 7) der Tirol Deklaration ausgedrückt wird, die „weitgehenden Folgen des Populärmachens durch die Ausstattung mit [fixen Zwischensicherungen] … sorgfältig erwogen werden. [Denn eine] Zunahme der Nutzung kann Sperrungen nach sich ziehen.“³

Folglich empfinden wir es als sehr bedauerlich, dass das Sanierungsprojekt Johanniswacht von den Mitgliedern der Projektgruppe ohne Berücksichtigung der oben genannten, geltenden Regelwerke erarbeitet wurde. Wir lehnen es darüber hinaus entschieden ab, dass über die konkrete Umsetzung des Projektes der Vorstand des SBB beschließen soll. Bei einem derart wirkungsvollen Vorhaben, welches in einer Teilregion der Sächsischen Schweiz bedeutende Veränderungen am ursprünglichen Charakter des Klettergebietes vorsieht, vertreten wir die Ansicht, mindestens eine Mitglieder­versammlung über die Projektumsetzung entscheiden zu lassen. Überdies besteht der Wunsch nach einer aktiven Einbeziehung aller sächsischen Bergsportverbände und sächsischen DAV-Sektionen in den Entscheidungsprozess, um in inhaltlichen Belangen angehört zu werden und nach sorgfältiger Abwägung einen Konsens hinsichtlich der Umsetzungsstrategien zu erzielen.

Des Weiteren sehen wir den Projektentwurf für eine Beschlussfassung noch nicht vollständig ausgereift. Wir vermissen u. a. eine klare Formulierung der Zielstellung des Projektes. In der Argumentation des Entwurfspapiers sehen wir die Umfrageergebnisse als sehr großzügig im Sinne des Pilotprojektes ausgelegt und damit an den entscheidenden Punkten unzureichend wiedergegeben. Nähere Ausführungen hierzu befinden sich in Anhang A. Zudem erkennen wir weitere inhaltliche Mängel, welche u. a. auch die Begehungshäufigkeiten einzelner betrachteter Wege betrifft (siehe Anhang B).

In dem Wissen darum, dass wir uns stets in einem Spannungsfeld zwischen dem strengen, traditionellen Regelwerk einerseits und dem auch bei uns ASD-Mitgliedern bestehenden Wunsch nach gut abgesicherten Kletterwegen andererseits bewegen, kommen wir zu der Einschätzung, dass das Projekt vom Grundsatz her und überdies in seiner bisher erarbeiteten und vorgestellten Form nicht die Zustimmung der ASD findet.

Ein freundliches Berg heil.

H. Solbrig

1. Vors.

 

1 Vgl. Bergsportentwicklung 2014-2017 – Pilotprojekt Johanniswacht; Sächsischer Bergsteigerbund; Entwurfsstand vom
09. September 2016

² Vgl. Sächsischen Kletterregeln; Abschnitt 3.7 Nachträgliches Anbringen von Ringen

³ Vgl. Die Tirol Deklaration zur Best Practice im Bergsport, Kongress Future of Mountain Sports, Innsbruck, 06. – 08. September 2002

4 Vgl. Mitteilungsblatt des SBB „Der neue sächsische Bergsteiger“ Ausgabe 1/2015, 26. Jahrgang

 

Anhang

 

  1. Abweichung von den Umfrageergebnissen5:
  • Die beabsichtigten Sanierungen betreffen überwiegend den Schwierigkeitsgrad VIIa aufwärts. Dies bildet nicht den Schwerpunkt der Umfrageergebnisse (vgl. Abb. 75). Zudem entspricht der o. g. schwerpunktmäßig gewählte Schwierigkeitsbereich nicht dem, was allgemeinhin unter dem Einstiegsniveau für Neulinge und Anfänger verstanden werden kann.

  • Das Anbringen nachträglicher Ringe in Wegen des Schwierigkeitsgrades III und oberhalb von VIIc, wie es das Pilotprojekt vorsieht, wird ebenfalls von den Umfrageergebnissen nicht abgedeckt, denn nur 17 % bzw. 21 % (vgl. Abb. 75) sehen diesbezüglich einen großen bis sehr großen Bedarf.

  • Eine ‚systematische Nachrüstung vorhandener Wege mit nR‘ wird … deutlich abgelehnt. (60 % lehnen voll bzw. eher ab)“5 bzw. 63 % stimmen einer Nachrüstung von Ringen nicht zu.

  • 75 % der Teilnehmer wünschen „eine weitere Entwicklung so wie bisher, d. h. ‚mit … einer relativ restriktiven Genehmigung nachträglicher Ringe‘“5. Daraus lässt sich ableiten, dass das bewährte Verfahren zum Anbringen nachträglicher Ringe auch zukünftig angewendet werden sollte und fordert mindestens die Einbeziehung der AG nR in den Entscheidungsprozess zum Pilotprojekt Johanniswacht.

  •  

  1. Inhaltliche Mängel1:
  • Nach uns vorliegendem Kenntnisstand sind die Begehungshäufigkeiten einzelner Wege im Projektentwurf nicht korrekt wiedergegeben worden:

  • Bielawächter – Bielakante VIIc:
    „weniger 1 Beg./Jahr“
    « 23 Beg. von 06/2008 bis 06/2016
  • Bielawächter – Spritztour VIIIa:
    „weniger 1 Beg./Jahr (2 in 15 Jahren)“
    « 7 Beg. von 06/2008 bis 06/2016
  • Bielawächter – Vollständiger SO-Weg VIIb:
    „weniger 1 Beg./Jahr (keine in 15 J.)“
    « 7 Beg. von 06/2008 bis 08/2016

Zudem haben sich durch umfangreiches Freischneiden die örtlichen Randbedingungen während der Projektlaufzeit erheblich geändert, so dass die Schlussfolgerung nahe liegt, die Wirkung der Freischneideaktionen zunächst abzuwarten und erst nach einer erneuten Auswertung der Begehungszahlen das weitere Vorgehen zu überlegen.

  • Aufgrund der (nordseitigen) Ausrichtung und/oder des derzeitigen bzw. des erwartbaren (Wieder)Bewuchses steht es in Frage, ob einzelne Wege aus dem vorgestellten Entwurf, z. B.:

  • Fritziturm – SW-Kante V
  • Johannismauer – Neue Nordwand VIIc

trotz der Nachrüstung mit Ringen höhere Begehungszahlen erreichen können. Die Auswahl ‚lohnender Wege‘ sollte für das vorgestellte Sanierungskonzept sorgfältig getroffen werden.

 

 

5 Vgl. Rochlitz, M., Zybell, L.: „Auswertung der SBB-Umfrage 2013 zum Klettern in der Sächsischen Schweiz – Kurzbericht für den SBB-Zukunftskongress am 08.03.2014