Monte Buckland (2012)

Autor: André Kunert


So wenig Spaß, für so viel Geld …
Vor ziem­lich genau zweiein­halb Jahren wurde ich von zwei Fre­un­den gefragt, ob ich Zeit und Lust hätte, ein wenig über meine let­zte Tour auf Feuer­land zu erzählen. Schnell war ein freier Abend gefun­den und wir trafen uns in einem kleinen Café, erzählten, schwel­gten in Erin­nerun­gen und auf ein­mal wur­den die Karten auf den Tisch gelegt. Sie planten eine Tour zum Monte Buck­land! Ich wusste zwar, dass ich noch ein­mal in die Ecke „muss“, aber dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Meine Abers und Ähhs wur­den gekonnt überhört und die ersten Auf­gaben wur­den verteilt. Anscheinend saß ich schon wieder im Boot nach Feuer­land – es gibt Schlimmeres.
Uns war recht schnell klar, dass wir die Tour nicht zu dritt und ohne materielle oder finanzielle Unter­stützung stem­men kön­nen. So kam neben der kon­ven­tionellen Pla­nung erst­mals noch die Akquise von Spon­soren und Mit­stre­it­ern hinzu, welche ein nicht uner­he­bliches Zeit­bud­get neben Studium und Arbeit ver­schlang. Infor­ma­tio­nen und Karten zu diesem im Westen der Cordillera Dar­win gele­genem Gebiet gibt es quasi nicht und wenn, beschränken sich diese auf ältere Fotografien.
Mit jedem Tag bis zu unserem Abflug stieg die Span­nung auf unser Aben­teuer – endlich kon­nte man wieder mal den Pio­niergeist wecken, den man braucht, wenn man etwas vol­lkom­men Neues, Unbekan­ntes und „Ver­rück­tes“ in Angriff nimmt. Denn auf was wir uns genau ein­lassen, wussten wir nicht. Aus beru­flichen Grün­den kon­nten wir nicht alle zum gle­ichen Zeit­punkt starten, so dass die Let­zten erst eine Woche später zum bere­its vorg­ereis­ten Team stießen. Sie hat­ten sich in der Zwis­chen­zeit schon per­fekt auf „Urlaub“ eingestellt und darüber hin­aus alle notwendi­gen Dinge erledigt – es kon­nte direkt los­ge­hen, quasi vom Flieger ins Auto und gle­ich weiter aufs Boot – ins Unbekannte.
Mit einer her­zlichen Umar­mung und einem besorgten „¡Mucha suerte!“ ver­ab­schiedete sich unsere Bootscrew für die näch­sten vier Wochen und ließ uns alleine inmit­ten eines weißen Flecks auf der nicht vorhan­de­nen Karte. Zeit um darüber nachzu­denken hat­ten wir nicht, die ein­set­zende Flut dro­hte unsere Aus­rüs­tung zu wässern. Unser aus­ge­spähtes Basis­lager in ca. fünf Kilo­me­ter woll­ten wir heute noch erre­ichen und sofern es möglich war, auch noch eine zweite Gepäck­trans­port­tour anschließen. Unser Plan hatte einen kleinen Fehler, stellte sich der weiße Fleck doch als ein nahezu undurch­dring­barer immer­grüner Regen­wald her­aus. An ein rasches Vorankom­men war nicht zu denken. Wenig­stens schien die Sonne und die Stim­mung im Team war gut. Nach Stun­den des Umher­stolperns, des Bal­ancierens und des Fluchens fan­den wir wenig­stens einen Platz, wo man ganz brauch­bar zel­ten kon­nte. Wenige hun­derte Meter an einem hal­ben Tag ließen die Bestei­gung des Monte Buck­land in weite Ferne rücken.
Wir mussten unsere Tak­tik ein wenig ändern. Ein Teil der Truppe beschäftigte sich auss­chließlich mit dem Mate­ri­al­trans­port vom Strand in das Zwis­chen­lager. Später nach­dem das Erkun­dung­steam, ein Basis­lager ein­gerichtet hatte, erfol­gte der Trans­port gemein­sam. Nach harten fünf Tagen hat­ten wir unsere gesamte Aus­rüs­tung an einem idyl­lisch gele­ge­nen Lager­platz. Zwei Wind­schutz bietende Fel­sriegel, ein glasklarer See und ein wenig Grün ver­sprachen einen angenehmen Aufen­thalt. Darüber hin­aus war der Platz noch extrem zen­tral im Hochtal gele­gen, so dass alle umliegen­den Berge in rel­a­tiv kurzer Zeit erre­ich­bar sein soll­ten. Von den Stra­pazen des Auf­stiegs gekennze­ich­net, störte uns der ein­set­zende Dauer­re­gen für die näch­sten Tag nicht. Wir hat­ten alle reich­lich Schlaf nachzu­holen. Die Wet­ter­vorher­sage aus Öster­re­ich ver­sprach ein Schön­wet­ter­fen­ster und wir hat­ten Hum­meln im Hin­tern – wir woll­ten die Gegend erkun­den und einen ersten ern­sthaften Ver­such unternehmen, den Monte Buck­land zu besteigen. Wir teil­ten uns in drei Grup­pen – eine Buck­land­gruppe, eine weit­ere, die den Anmarsch an den Monte Gar­cia erkun­det und eine Gruppe, welche ver­sucht an die Märchen­bucht, von der die Erst­besteiger auf­brachen, vorzu­drin­gen. Keine Tour erre­ichte ihr Ziel, zu kurz war das gute Wet­ter oder zu ger­ing die Moti­va­tion, sich erneut durch dicht­este Veg­e­ta­tion zu kämpfen. Allerd­ings kon­nten wichtige Infor­ma­tion für weit­ere Touren gesam­melt werden.
Die fol­gen­den Tage ver­strichen mit Schlafen, Lesen, mit dem Betra­chten des ständig fal­l­en­den Barom­e­ters und mit dem Bau eines kom­plexen Kanal­sys­tems. Durch den tage­lan­gen Dauer­re­gen sollte dieses unseren bis dato so idyl­lisch gele­ge­nen Zelt­platz, entwässern. Essen­zeiten oder Toi­let­tengänge richteten sich mit­tler­weile fast auss­chließlich nach den kurzen Regen­pausen, welche für das Ver­lassen der Zelte notwendig waren. Man wollte sich die Sachen ja nicht unnötiger­weise nass machen. Wer weiß, wann man mal wieder Sonne hat.
Nach tage­langer Warterei zeich­nete sich eine Trendwende im Luft­druck­ver­lauf ab. Eine im Kon­junk­tiv gefasste gute Wet­ter­prog­nose bestätigte die Ten­denz und ver­sprach wieder eine Möglichkeit – jetzt oder nie, war die Devise für das Gipfel­team. Zu viert brachen sie dies­mal zum Hochlager auf. Zwei weit­ere Per­so­nen pro­bierten ihr Glück an einem bis heute unbestiege­nen Gipfel und erkun­de­ten einen möglichen Übergang auf die Nord­seite der zum Monte Gior­dano hinüber ziehen­den Bergkette. Je später der Tag, desto besser wurde das Wet­ter. Absolute Wind­stille, wär­mende Sonne und eine traumhafte Fern­sicht ließ die ver­gan­genen Schlechtwet­tertage vergessen. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft kon­nte man den Monte Buck­land wolken­frei ein­se­hen. Ideal, um sich eine mögliche Auf­stiegsroute auszusuchen, welche am näch­sten Tag in Angriff genom­men wer­den sollte.
Trotz bestem Wet­ter ver­fol­gten wir das dreiköp­fige Gipfel­team vom Basis­lager aus. Jeder wollte irgend­wie dabei sein, wenn der Gipfel geschafft wer­den würde. Bei bestem Wet­ter kämpfte sich die Gruppe die ersten Klet­ter­pas­sagen hin­auf. Nach weni­gen Stun­den hatte sie bere­its ihren let­zten Umkehrpunkt erre­icht und kon­nte rasch weit­ere Höhen­meter bezwin­gen. Die schwierig­ste Stelle, ein mehrere hun­dert Meter langer und weit überhän­gen­der Bergschrund wurde am späten Nach­mit­tag überklet­tert und nur noch wenige Seil­län­gen tren­nte die Seilschaft vom Gipfel, welcher sich als höch­ster Punkt auf dem weit überwechteten Gipfel­grat abze­ich­nete. Zum Zeit­punkt des Gipfel­er­folges war das Wet­ter mit­tler­weile wieder zum üblichen Grau in Grau überge­gan­gen, so dass auf die ersten Dig­i­tal­bilder des Panora­mas vom Gipfel verzichtet wurde. Auch hielt sich die Freude über den Gipfelsieg noch dezent in Gren­zen – der Abstieg wartete noch. Mit ein­set­zen­der Dunkel­heit ver­schlechterte sich das Wet­ter weiter. Schnee und Wind set­zen ein und ver­wis­chten die Auf­stiegsspuren. Erschöpft, durchge­froren aber glück­lich den Gipfel bestiegen zu haben, erre­ichten die Zweitbesteiger nach 19 Stun­den das Hochlager. Die tech­nisch schwierig­sten Pas­sagen der neuen Route am Berg, lagen hin­ter ihnen. Der ein­fachere aber weite Abstieg wartete am näch­sten Tag auf sie. Große Tropfen auf der Zelt­wand weck­ten uns am Mor­gen. Ein kon­den­sieren­der Atem zeugte von gefal­l­enen Tem­per­a­turen. Dank unserer Funkgeräte kon­nten wir Kon­takt mit dem Hochlagerteam aufnehmen – 0 m Sicht und Neuschnee – nicht unkri­tisch auf der lan­gen Querung des mit­tleren Gletscher­beck­ens. An einen Abstieg war zum jet­zi­gen Zeit­punkt nicht zu denken. Zum Glück kon­nte man vom Basis­lager das Wet­ter für die näch­sten Stun­den ein wenig besser ein­se­hen – eine kleine Wet­terbesserung schien sich am Mit­tag anzubah­nen. Gemein­sam brachen wir auf, um uns ent­ge­gen­zu­laufen. Die Einen hinab und die Anderen hin­auf, um das Gipfel­team zu doku­men­tieren und auch zu unter­stützen. Das „gute“ Wet­ter hielt fast durch, zumin­d­est für den schwieri­gen Teil reichte es. Im flacheren Bere­ich schüt­tete es bei Tem­per­a­turen knapp über 0° C.
Die näch­sten Tage gestal­teten sich recht ein­tönig. Schnee, Regen, Sturm – immer im Wech­sel und in einem naht­losen Übergang schränk­ten unsere Aktiv­itäten erhe­blich ein. Jede Änderung des Luft­druckes wurde frenetisch gefeiert, gab sie doch Hoff­nung auf Wet­terbesserung. Allerd­ings galt auf Feuer­land die Devise „ein Mil­libar hin­auf, zwei zurück“. Keine guten Aus­sichten für weit­ere Gipfel.
Nach Tagen des Aushar­rens ver­sprach ein son­niger Mor­gen die Möglichkeit wieder auf Tour zu gehen. Zum Glück waren die Ruck­säcke für solche Fälle quasi immer fer­tig gepackt. Als Ziel wurde ein Gipfel gewählt, welcher markant in der Bergkette über unserem Lager thronte. Auf der Boots­fahrt hat­ten wir gese­hen, das die Nord­seite stark ver­gletschert war, aber weniger abweisend als wie die dem Lager zuge­wandte fel­sige Süd­seite. Bis zu einem kleinen Durch­schlupf im Grat war die Route klar, wie der weit­ere Wegver­lauf ist, wussten wir nicht. Die beste Kom­bi­na­tion mit dem sich wieder ver­schlechtern­den Wet­ter einen Gipfel neu zu besteigen. Der in den let­zten Tagen reich­lich gefal­l­ene Schnee erschw­erte die Bestei­gung zusät­zlich. Hin und wieder ris­sen die Wolken auf und gaben einen milchi­gen Blick auf die Mag­el­lanstraße frei. Unter uns stürzte der Gletscher kaskaden­mäs­sig knapp 1.000m bis auf Meereshöhe hinab. Dichter Nebel erschw­erte die Ori­en­tierung erhe­blich. Wir tren­nten uns. Ein Gipfel­team, welches dem schlechten Wet­ter trotzte und einem Küchen­team. Der von uns auf Monte Niebla getaufte Gipfel kon­nte nach neun Stun­den bestiegen wer­den. Der erhoffte Fern­blick ver­flüchtige sich im dichten Nebel.
Die let­zten Tage vor Ort fie­len wieder dem schlechten Wet­ter zum Opfer. Immer weiter sank die Schneefall­grenze und unser ehe­mals schöner Lager­platz war mit­tler­weile nur noch eine Schlammwüste. Jeder wollte eigentlich wieder zurück, zurück in die Zivil­i­sa­tion und derer Annehm­lichkeiten. Aus­sichten auf weit­ere Gipfel­er­folge waren eher schlecht, zu viel Neuschnee hatte es in den let­zten Tagen gegeben. Wir pok­erten mit dem Wet­ter bis zum let­zt­möglichen Tag, wobei der Gewin­ner eigentlich schon vorher fest stand, aber vielle­icht hätte es ja ein Ein­se­hen mit uns gehabt und zeigt sich von seiner besseren Seite während unseres Abstieges. Aller Hoff­nun­gen zum Trotz zeigte es sich von seiner windig­sten und nass­es­ten Seite. Der sonst so harm­los dahin fließende Bach war mit­tler­weile zum schlüpfer­stür­menden Fluss angeschwollen und die von den Fel­swän­den tropfenden Rinnsale waren mit­tler­weile zu girlan­denar­ti­gen Wasser­fälle angewach­sen. Zusam­men mit dem anhal­tenden Lan­dregen und dem starken Wind war man bei Zeiten kom­plett durchgewe­icht und aus­gekühlt. Man tra­bte stoisch den bere­its wieder zugewucherten Pfad hinab, auf eine baldige Überfahrt hoffend.
Zum vere­in­barten Ter­min hörten wir ein leises Knat­tern, welches immer lauter wurde. Ein erstes Anze­ichen von Zivil­i­sa­tion. Nur noch ein anstren­gen­der und langer Tag tren­nte uns von einer war­men Dusche, einem leck­eren Asado, ….
Zusam­men­fassend kann man sagen, dass es ein beson­deres und für alle von uns ein ein­ma­liges Erleb­nis war – vier Wochen vol­lkom­men auf sich allein gestellt, in einer quasi unberührten, uner­forschten und atem­ber­auben­den Natur. Neben der Zweitbestei­gung des Monte Buck­land kon­nten zwei weit­ere z.T. anspruchsvolle Gipfel bestiegen wer­den und zahlre­iche Gipfel fotographisch doku­men­tiert werden.
Des Weit­eren wollen wir uns noch ein­mal für das seit­ens der ASD in uns ent­ge­genge­brachte Ver­trauen, sowie bei allen Spon­soren bedanken. Weitere und detailliertere Informationen zur Tour und Bilder können der Tourseite www.buckland.com entnommen werden.