Autor: Madeleine Storl/Udo Ritscher
Gesagt getan, nach zweimaligem Umsteigen landeten wir (Frank, Udo und Madeleine) kurz vor Mitternacht auf dem Flughafen in Trondheim. Den Rest der Nacht verbrachten wir wie eine soziale Randgruppe auf dem eisigen Boden des Trondheimer Busbahnhofes. Es gibt Dinge, auf die kann man sich verlassen. In Norwegen ist das der Regen. Den gab es dann auch zur Genüge. Da wir ohne genaue Planung losgeflogen sind, sah der nächste Tag in meinen Augen etwas chaotisch aus. Nachdem die Jungs endlich nach einer halben Ewigkeit Kartenmaterial, Kartuschen etc. besorgt hatten, ging es endlich los. Auf in die Weiten Norwegens! Unser erster Bus brachte uns nach Berkåk. Dort angekommen schlugen wir die Zelte gleich am Ortsausgang auf, da es von hieraus morgen mit dem nächsten Bus weitergehen soll. Am nächsten Tag wurde das Wetter besser, was die Stimmung deutlich anhob. Nach einer Stunde Fahrt in einem Kleintransporter erreichen wir Nerskogen. Dies ist nun der Startpunkt für unsere 8-tägige Tour durch das Trollheimen. Anfangs gehen wir alle drei schweigend daher und genießen die unglaubliche Weite und Einsamkeit. Nach einer Weile erreichen wir einen Fluss, welchen wir mit Hilfe einer „Seilbahn“ überqueren. Nach einer Verschnaufpause wandern wir direkt auf den Gråfjettet zu. Als wir endlich den Gipfel erreichen, zieht das Wetter langsam zu, trotzdem tragen wir uns nach guter alter sächsischer Tradition ins Gipfelbuch ein. Danach sind die Jungs der Meinung, dass wir die Direkte zum Abstieg nehmen. Dies bereitet mir einige Schwierigkeiten, da ich es nicht gewöhnt bin, mit so einem schweren Rucksack querfeldein zu gehen. Doch meine Mühen werden mit einem eiskalten Bad belohnt. Zum Abendbrot droht uns ein Gewitter, welches uns nicht so recht beeindruckt, da der Hunger größer ist als der Wunsch, im Trocknen zu sitzen.
Der nächste Tag beginnt mit 10 m Sicht. Ich bin begeistert, da heute wieder querfeldein Wandern angesagt ist. Das erste große Hindernis ist ein Fluss, welchen wir nicht alle trockenen Fußes überwinden. Irgendwann gibt es mal wieder einen Weg, der zu unserer großen Freude extrem schlammig ist. Es geht nun knappe 8 Kilometer immer an einem Fluss entlang. Am Nachmittag kommt dann doch noch die Sonne zum Vorschein und wir nehmen ein sehr erholsames Bad. Doch kaum ist man sauber, versinke ich bis zur Wade im Schlamm, meine Nerven! Die Bergschuhe sind nun endgültig nass, was es nicht gerade angenehmer macht. Irgendwann erreichen wir die Trollheimshytta, doch wir gehen noch weiter. Bald finden wir ein nicht ganz so sumpfiges Stück Wiese, wo wir unsere Zelte aufstellen. Doch mit Erholung ist es weit gefehlt. Nun hetzen mich diverse Kleintiere ständig hin und her. Man bildet mit den Armen und Beinen eine rotierende Scheibe, um die kleinen Fliegen von sich fern zu halten. Trotzdem ließen wir es uns nicht nehmen, den Abend gemütlich an einem Fluss ausklingen zu lassen.
Heute ist es bedeckt und unser Weg führt uns durch nun schon bekanntes schlammiges Gebiet. Nachdem wir einen Kessel und den anschließenden Sattel hinter uns lassen, wartet ein wunderschöner glasklarer See auf uns, wo wir die Mittagspause einlegen. Weiter geht es über grüne Wiesen, die sich nach und nach in Geröll verwandeln, auf einer Passhöhe liegt sogar noch Schnee. Auch müssen wir wieder einen Fluss durchqueren, wobei ich mich sehr schwer tue. Gegen Abend erreichen wir dann unser Ziel. Diesmal haben wir eine ganz besondere Zeltstelle – unsere kleine persönliche Wasserinsel. Nach einem erfrischenden Bad und einem Topf voll Nudeln geht der Abend mit einer Runde Skat zu Ende.
Guten Morgen, wo ist die Landschaft geblieben? Nun gut, wieder mal dichter Nebel! Als wir losgehen, ist es etwas aufgezogen und wir steigen durch die dicke Suppe hinab. Der Abstieg ist sehr beschwerlich, da der Untergrund immer nachgibt und ich mich mit dem schweren Rucksack herumquäle. Gegen Mittag erreichen wir Kårvaten. Endlich unten (geographisch und was die Motivation betrifft)! Für teures Geld bessern wir unseren Brotbestand auf. Etwas lustlos stapfen wir eine Straße entlang zum nächsten Aufstieg. Als ein Auto anhält und die Fahrerin Frank fragt, ob sie jemanden ein Stück mitnehmen soll, lehnt er höflich ab. Ich hätte ihm an den Hals springen können. Die 500 Hm bewältige ich doch besser als gedacht. Nachdem unsere Zelte stehen, gönnen wir uns heute zwei Mahlzeiten.
Da wir bisher mehr Schafe als Menschen gesehen haben, wird der Tag durch lustiges Schafgebimmel eingeläutet. Ziemlich träge schleppe ich mich die letzten 200 Hm den Hang hinauf. Die Aussicht, von der die Jungs so schwärmen, kann ich nicht recht genießen, da ich mich schon sehr auf den Abstieg „freue“. Dieser beschäftigt uns dann die nächsten zwei Stunden. Als wir nun mal wieder ganz unten sind, wissen wir nicht so recht weiter. Die Auskünfte über das Wetter sind widersprüchlich und unsere weiteren Ziele etwas unklar. Also wird das schöne Wetter genutzt, das heißt mal wieder: ab an den nächsten See. Dieser gefällt uns so sehr, dass wir die Zelte auf einem großen bewachsenen Stein aufbauen. Mit Ausruhen, Lesen, Baden und Essenkochen vertreiben wir uns die Zeit. Später gehen wir wieder zum obligatorischen Skatspiel über. In der Nacht kommt recht heftiger Sturm auf, welcher auch etwas Regen mitbringt. Doch die 13 km Straße bis zum nächsten Ort bringen wir im trockenen hinter uns. In Ålvundeid erreichen wir den Supermarkt gerade so, dann setzt der erste Wolkenbruch ein. Ein netter Mensch aus dem Laden versorgt uns noch mit einer Kartenkopie, welche wenige Stunden später Gold Wert ist. Nach dem Mittag setzt der Regen vorerst aus und der Aufstieg unter einem Skilift wird als Fleißarbeit abgehakt. Nun fängt das Elend erst richtig an. Durch krautiges Unterholz geht es ohne Weg und mit noch weniger Sicht zwei Stunden querfeldein. Ohne Hoffnung dort anzukommen, wo die Jungs hinwollen, stehen wir plötzlich an einem Bach und einem See. Unser Ziel ist erreicht – wie wir das gemacht haben, war mir ein Rätsel. Und kaum dass die Zelte stehen, geht der nächste Wolkenbruch nieder. Von nun an sollte es die nächsten Tage fast ununterbrochen regnen. Erst gegen 11 Uhr kriechen wir aus unseren Schlafsäcken. Wenn wir gewusst hätten, dass uns den ganzen Tag noch Sumpf, kniehohes Gestrüpp und kein Weg erwartet, wären wir sicher liegen geblieben. Im Laufe des Tages kommen wir an einer relativ großen unbewirtschafteten Berghütte vorbei, welche zu unserer großen Überraschung nicht abgeschlossen ist. Am späten Abend erreichen wir völlig durchnässt Todalsøra, wo wir auf dem Rasen der Todalshytta unser Zelt aufbauen. Nach so vielen Tagen ist die warme Dusche etwas Wunderbares. Die Nacht ist göttlich, da es heute mal keine weichen Steine im Rücken gibt. Am nächsten Tag fährt uns die Hüttenwirtin nach Skei. Eigentlich wollten wir den Bus nehmen, aber in den Sommerferien fährt dieser nicht. Für diese Mitfahrgelegenheit sind wir sehr dankbar, da wir sonst zwei weitere Tage durch unwegsames Gelände hätten wandern müssen. Als erstes werden in einem Supermarkt unsere Lebensmittelvorräte aufgebessert und dann fängt noch eine reichliche Woche Erholungsurlaub an. Das Wetter ist wesentlich schlechter und so sind wir froh, dass wir eine kleine eingerichtete Hütte finden, wo wir fast einen ganzen Tag mit Lesen verbringen und die Beine lang machen. Das Wandern macht immer noch Spaß, aber bei dem Wetter bleiben auch wir 36 Stunden im Zelt. Nach acht Tagen sind wir in Orkanger angekommen und fahren mit dem Bus zurück nach Trondheim. Es werden noch alle größeren Sehenswürdigkeiten abgeklappert, dann gibt es noch die letzte Tütensuppe des Urlaubs und ab zum Flughafen. Dort haben wir Glück, dass man uns hier schlafen lässt und wir nicht noch mal die Zelte aufbauen müssen. Am nächsten Tag geht es über Oslo und Amsterdam zurück nach Berlin. Da wir den ganzen Urlaub über nie größeren Lärm hatten, bringen die letzten Nachwehen der Loveparade Udo fast zum Nervenzusammenbruch. Nach 24 Stunden ohne Schlaf ist es für uns alle schwer, die Fassung zu bewahren.
Im Großen und Ganzen kann man nur sagen, wen Regen und Mücken nicht stören, sollte mal nach Norwegen fahren, denn die Weite und Einsamkeit sind einzigartig für Europa.