Klettern in den Tannheimer Bergen (2012)

Autor: Siegfried Lehmann

Roland und ich konnten aus unterschiedlichen Gründen in diesem Sommer nicht an der Fahrt nach Frankreich in die Dauphiné teilnehmen. So entschieden wir uns kurzfristig Ende August noch einige Tage zum Klettern in die Alpen zu fahren. Die Wahl fiel auf die Tann-heimer Berge, einer Untergruppe der Allgäuer Alpen im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol. Ausgangspunkte für Touren sind das Gimpelhaus, die Tannheimer Hütte, die Otto-Mayr-Hütte und die Füssener Hütte. Die Tannheimer Berge sind gut zu erreichen. Unser Ziel war das Gimpelhaus, welches mir nach gerade überstandenen Achillessehnenproblemen mit den relativ kurzen Wegen zur Hütte und zu den Klettereinstiegen sehr recht war. Die von hier günstig zu erreichenden Kletterrouten sind vorwiegend süd- und ostseitig ausgerichtet, was durch die Sonne im Sommer durchaus problematisch sein kann. Nordseiten sind vor allem von der Otto-Mayr-Hütte und der Füssener Hütte erreichbar. Die Tannheimer Berge bieten eine Fülle an Kletterrouten in allen Schwierigkeitsbereichen. Anlässlich eines tragischen Seilschaftsabsturzes 1997 wurden in den Folgejahren über 100 häufig begangene Kletterrouten saniert und Abseilpisten eingerichtet. Da ein großer Teil der Tannheimer Kletterrouten in ihrem ursprünglichen Zustand belassen wurde, somit klassisch abgesichert werden muss, findet sich für jedes Sicherheitsbedürfnis ein großes Betätigungsfeld. Viele neue Routen sind aufgrund der kompakten Felsstruktur jedoch nur mit Bohrhaken abzusichern, da Keile und dgl. nicht platziert werden können.
Wir starteten am Dienstag dem 21. August früh in Dresden. Der Wetterbericht hatte auch für die Tannheimer Berge eine Wetterlage mit sehr heißen Luftmassen aus Südsüdwest und entsprechendem Gewitterrisiko angekündigt. Nach problemloser Fahrt und Aufstieg bei drückender Hitze erreichten wir kurz nach 15:00 Uhr das Gimpelhaus. Eine Stunde später verließen wir die Hütte schon zu unserem ersten Kletterziel, dem Hochwiesler Ostsporn. Da die nach Osten ausgerichtete Wand jetzt im Schatten lag, versuchten wir uns trotz der Hitze am „s’Bienchen“, 4 Seillängen und Schwierigkeit 6+. Erfolgreich; so konnten wir uns beim Abendessen und Bier auf dem Gimpelhaus bereits über einen Klettererfolg freuen.
Für den Mittwoch orientierten wir uns angesichts der labilen Wetterlage auf relativ kurze Wege in der Zwerchwand. Bereits in der ersten von 7 Seillängen der 6-er Route „Diebische Rentner“, in der Zwerchwand Ost, wurden wir nass. Abseilen, unterstellen und warten. Nach 1 Stunde schien wieder die Sonne und ein neuer Versuch war fällig. Diesmal klappte es. Da es auch am Nachmittag trocken blieb, ließen wir an der Zwerchwand West gleich noch die 7 Seillängen der Route „Till Ann“, mit Einstiegsvariante 6-, folgen.
Nach Regen in der Nacht schien am Donnerstag früh wieder die Sonne. Jedoch wurde für den Nachmittag ein hohes Gewitterrisiko angesagt. Vom Vorhaben, einen langen Weg am Gimpel zu klettern, nahmen wir Abstand und gingen zum Hochwiesler, um die direkte „Via Anita“ (8 Seillängen, Schwierigkeit 6) zu klettern. Alles ging super, Highlight war jedoch die erste Abseilläge, welche nach wenigen Metern über einen gewaltigen Überhang 40 m freihängend nach unten führte. Die Ernüchterung kam beim Seilabziehen, als sich das Ende des zweiten Seils oben verfing und nicht abziehen ließ. Zum Glück war der Verbindungsknoten schon unten, somit ein Seil verfügbar und die restlichen Abseillängen ließen sich damit bewältigen. Aber was sollte mit dem anderen Seil passieren? Opfern?
Als wir unten zwei Kletterer trafen, die uns ein Seil liehen, war klar: Wir klettern noch mal die 5 Seillängen der „Alten Südwand“ (5+/A0 oder 6) nach oben, welche direkt wieder zur Abseile führt. Das herannahende Gewitter im Nacken „rannten“ wir in 45 min. nach oben und schafften es, dass uns das Unwetter erst beim Abseilen erwischte. Dank der Helme überstanden wir auch die taubeneigroßen Hagelkörner ohne Probleme. Die abziehende Gewitterfront mit herrlichen Regenbögen konnten wir dann bei Bier am Gimpelhaus genießen.
Auch in der Nacht folgten immer wieder Gewitter und als der Morgen des 24.8. (Freitag) regnerisch begann, stellten wir uns schon leise auf das Ende unseres Aufenthalts ein. Am späten Vormittag lockerten aber die Wolken auf, die Sonne kam durch und bis zum nächsten Gewitter/Regen am Nachmittag schien ein kurzer Weg möglich zu sein. Schnell entschieden wir uns für die 4-Seillängen-Route „Memory“, 6+/7-, an der Zwerchwand Ost. Mit dem herrlich festen Fels und den homogenen Anforderungen wurde diese Tour schließlich schwierigkeitsmäßig die Krönung unserer Kletterfahrt. Denn nach Dauerregen in der Nacht und am folgenden Vormittag stiegen wir ab und fuhren mit 6 schönen Kletterwegen „im Gepäck“ zufrieden nach Hause.