Via Claudia Augusta – mit dem Fahrrad über die Alpen nach Venedig (2011)

Autor: Annette Berndt


Auf der Suche nach einer Urlaubsvariante, bei der wir einerseits unauffällig unser Kind besuchen aber andererseits auch ohne ewig Auto zufahren durch Italien reisen können, fanden wir die Radtour entlang der „Via Claudia Augusta“. Diese vom römischen Kaiser Augustus vor 2000 Jahren gebaute Straße war die erste befestigte Verbindung über die Alpen und stellte bis zum Bau der Brennerstraße die wichtigste Verbindung zwischen Adria/Poebene und dem westlichen Voralpenraum dar. Neben grandioser Landschaft, kulturellen und kulinarischen Genüssen bietet diese Route zugleich die leichteste Möglichkeit einer Alpenüberquerung per Rad. Man fährt überwiegend auf autofreien Flussradwegen (Lech, Inn, Etsch, Brenta, ggf. Piave) und findet heute noch entlang der gesamten Strecke Spuren der historischen Römerstraße.

Wir starteten mit Tourenrädern und Zeltgepäck in Donauwörth, das von Dresden über Nürnberg mit Regionalzügen gut zu erreichen ist. Nach der Besichtigung von Augsburg und Landsberg am Lech fuhren wir durch das Voralpenland vorbei an Schloss Neuschwanstein und Leermoos mit Zugspitzpanorama bis zum Fernpass (1210 m). Hier hat man die Wahl zwischen der stark befahrenen Fernpassstraße und einer steilen Schotterpiste, die nur mit Mountainbike und ohne Gepäck fahrbar ist; wir entschieden uns für die Schotterpiste und mussten ein ganzes Stück schieben. Der weitere Weg führte über das Inntal und Landeck zum Reschenpass (1507 m), der auch mit Gepäck befahrbar ist. Hier wählten wir die zwar etwas längere, aber verkehrs- und tunnelärmere Variante über Martina/Schweiz, was unbedingt zu empfehlen ist.
Ab Reschenpass fuhren wir auf der „Fahrradautobahn“ Etschradweg durch das Vinschgau weiter nach Meran und Bozen und passierten die Sprachgrenze an der Salurner Klause, bevor wir über Trient (hier gabelt sich die Via Claudia Augusta in eine östliche und eine westliche Route) und Rovereto Verona erreichten. Zwischendurch boten sich immer wieder imposante Ausblicke unter anderem auf das Ortlermassiv und die Dolomiten. Da wir ausreichend Zeit hatten, gönnten wir uns noch zwei recht bergige aber sehr lohnende Abstecher zum Kalterer See und an den Gardasee. Die letzte Tagesetappe der westlichen Route von Verona nach Ostiglia (wohl ziemlich öde Strecke durch die Poebene) haben wir ausgelassen, um mit dem Zug nach Trient zurückzukehren und dann auf der östlichen Route bis nach Venedig zu fahren. Allerdings haben wir hier nicht die im Bikeline-Radführer beschriebene Strecke über Feltre und das Piavetal gewählt, sondern sind durch das imposante Tal des Brentaflusses nach Bassano die Grappa (malerisches Städtchen am Fuße des Monte Grappa, nach dem das gleichnamige alkoholische Getränk benannt ist) gefahren. In Bassano di Grappa verlässt man das Gebirge. Wer sich den Touri-Rummel in Venedig im Sommer und die Mühen der Ebene (die letzte Tagesetappe führt fast ausschließlich über mehr oder weniger befahrene Landstraßen und ist hier im Gegensatz zum übrigen Verlauf der Strecke kaum gekennzeichnet) ersparen möchte, sollte hier aufhören (gute Zugverbindung über Trient nach München).
Allerdings findet man auch im Hochsommer in Venedig abseits der Haupttouristenströme ruhige und interessante Ecken. So entdeckten wir (nun natürlich ohne Rad) das jüdische Ghetto (hier befand sich früher die Gießerei „gettore“, von der sich der Begriff Ghetto ableiten soll), schnupperten Bienale-Luft und hatten vom Turm der Chiesa di Santa Maria della Salute einen ganz besonderen Blick auf die Lagune.
Die von uns beschriebene Variante war mit allen Abstechern (einschließlich einiger wegen „Verfehlungen“ doppelt gefahrener Strecken) rund 1000 km lang und in 2 Wochen gut zu bewältigen.
Der Rückflug mit Air Berlin über Düsseldorf nach Dresden war nach vorheriger Anmeldung der Fahrräder problemlos. Als krönenden Abschluss konnten wir – bevor die Berge in den Wolken verschwanden – unsere Tour dann aus der Luft noch einmal bis zum Alpenhauptkamm zurückverfolgen.